Geld fließt eins zu eins in die Notfallaufnahme

buergerspital wertheim presse 32

Wertheim. Nachdem der Kreistag den Zuschuss für die Notaufnahme des Bürgerspitals beschlossen hat, wird der Wertheimer Gemeinderat bei einer Klausurtagung am Samstag versuchen, die restliche finanzielle Lücke zu schließen. Die Unterstützung des Kreises ist aus Wertheimer Sicht in der Höhe enttäuschend. Die Fränkischen Nachrichten führten ein Interview mit dem Bürgerspital-Geschäftsführer Alexander Gläser, der auch auf Bedenken der BBT-Gruppe eingeht, die im Vorfeld der Kreistagssitzung ins Feld führte, der Landkreiszuschuss diene der Gewinnabsicherung oder gar Gewinnmaximierung für einen privaten Betreiber. Die BBT-Gruppe betreibt mit dem Landkreis über eine Holding das Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim und das Krankenhaus Tauberbischofsheim. Das Interview fand aus Termingründen per E-Mail statt.

Der Kreistag hat in der vergangenen Woche beschlossen, die Notfallversorgung am Bürgerspital ab 2026 mit jährlich bis zu 625.000 Euro zu unterstützen. Befristet auf drei Jahre. Wie bewerten Sie aus Ihrer Sicht dieses Ergebnis?
Alexander Gläser: Jetzt haben wir erst einmal eine Entscheidung. Die Bedeutung der Entscheidung an sich ist nach unserer Auffassung wichtiger als das nüchterne Ergebnis hieraus. Der politische Abstimmungsprozess hat bis zu diesem Tage viel zu lange gebraucht, wenn man die Dringlichkeit und den Ernst der Sache betrachtet. Ein Krankenhaus zu erhalten in einer Region, in der es das letzte seiner Art ist, muss Kernaufgabe jedes Lokalpolitikers sein. Denn unsere Gesundheit beziehungsweise deren Wiederherstellung ist fundamentale Basis unseres Seins, unseres Zusammenlebens, unseres Wirtschaftens, unserer Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Eine solche Chance darf man nicht leichtfertig vertun. Jetzt hat man gerade so noch die Kurve gekriegt. Voraussetzung ist, dass der Beschluss jetzt so umgesetzt wird.

Der Betrag ist geringer als die Stadt Wertheim erhofft hat. Um den in der Betrauungsvereinbarung zwischen Stadt und Bürgerspital vereinbarten Zuschuss von bis zu 2,75 Millionen Euro aufzubringen, wird es möglicherweise noch tiefere Einschnitte im Haushalt geben müssen als geplant. Besteht aus Ihrer Sicht noch die Gefahr, dass das Projekt scheitern könnte?
Gläser: Ich denke, dass die Stadt, die sich sehr um einen Interessensausgleich und eine möglichst auf breiten Schultern verteilte solidarische Lösung eingesetzt hat, auch auf dieses Ergebnis vorbereitet ist oder besser: vorbereitet sein musste. Der Zuspruch von anderen Seiten, den badischen und bayerischen Nachbarkommunen, den Spendern aus der Wertheimer und der bayerischen Unternehmensfamilie und die Spendenbereitschaft vieler privater Bürger, ist erfreulicherweise deutlich höher als erhofft. Weil dort die Auswirkungen eines fehlenden Krankenhausbetriebs auch schon spürbar waren. Niemand kann und will in seinem Betrieb oder in seiner Familie verantworten, dass Bedürftige im eigenen Einflussbereich keinen vernünftigen Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. Deshalb glaube ich fest, dass die Stadt das auch mit dem konkreten Ergebnis des Beschlusses des Kreistages packen wird.

Wenn drei Jahre abgelaufen sind: Ist es realistisch, dass eine angemessene Notaufnahme auch mit weit weniger als 2,75 Millionen Euro Zuschuss betrieben werden kann?
Gläser: Nein, das halten wir für ausgeschlossen, wenn die Anforderungen an die Basis-Notfallversorgung mit einem 24/7-Betrieb, einer funktionierenden radiologischen Abteilung und der Abdeckung bestimmter Tracer-Indikationen, also besonders schweren Notfällen, gelingen soll. Allerdings hat der weitere politische Willensbildungsprozess, von heute an gerechnet und unter Berücksichtigung der beschlossenen Unterstützung des Landkreises, ja von nun an mehr als 3,5 Jahre Zeit, sich ein neues Bild zu verschaffen und dann möglicherweise eine korrigierende Entscheidung zu treffen. Wir haben nach wie vor Vertrauen in den Zusammenhalt unseres wunderschönen Landkreises.

Die Landkreisverwaltung berief sich bei der Begründung für den nun beschlossenen Betrag auch auf die besondere Beziehung zur BBT-Gruppe, die mehrheitlich an der Gesundheitsholding Tauberfranken beteiligt ist, welche die Krankenhäuser in Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim betreibt. Aus der BBT-Gruppe heraus gab es wohl Bedenken. Öffentliche Gelder für das Bürgerspital dienten der Gewinnabsicherung oder gar der Gewinnmaximierung für einen privaten Klinikbetreiber, hieß es. Was sagen Sie zu diesem Einwand?
Gläser: Zunächst muss ich richtigstellen: Wir sind kein privater Klinikbetreiber. Wir sind ein freigemeinnütziger Klinikbetreiber ohne Gewinnerzielungsabsicht. Das ist verankert in unserer Unternehmenssatzung und ist für jeden einsehbar im digitalen Handelsregister. Dieses Prinzip unterliegt den strengen Anforderungen der Abgabenordnung der bundesdeutschen Finanzverwaltung. Das Bürgerspital ist dem Gemeinwohl verpflichtet und darf qua Gesetz selbst theoretische Gewinne nicht an die Westfalenklinik-Gruppe ausschütten.

Dass die BBT-Gruppe – als privatwirtschaftlich organisierte Unternehmensgruppe ihrerseits – mit Blick auf unsere Entwicklung möglicherweise divergierende Interessen verfolgt, ist in unserem Marktumfeld eigentlich nichts Überraschendes. Wer möchte schon ein Quasi-Monopol aufgeben? Wir sehen das aber gelassen, zumal wir eine Wettbewerbssituation aufgrund der großen Distanz, der unterschiedlichen fachlichen Ausrichtung und künftigen Schwerpunktsetzung praktisch ausschließen können. Vielmehr sehen wir uns als ergänzendes Element, welches auch den Häusern der BBT-Gruppe mittelfristig Vorteile bringen wird. Die Häuser in Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim werden von uns profitieren und umgekehrt. Wir sind jedenfalls bereit, genau solche Synergien im Dialog miteinander zu heben. Darüber hinaus ist es nicht meine Aufgabe, dem Landratsamt Ratschläge zu erteilen. Ich hätte mir allerdings im Vorfeld einer solchen Entscheidung unabhängigen Rat eingeholt. Ich glaube, dass ich mit dieser Meinung nicht alleine bin.

Konkret wird angeführt, die Verantwortlichen des Bürgerspitals wollten mit der Übernahme des Wertheimer Krankenhauses den eigenen Umsatz von 35 Millionen Euro auf bis zu 60 Millionen Euro steigern. Diese Zahlen wurden von Ihnen gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) genannt, die im Januar über das Geschäft Ihrer privaten Klinikkette Weight Doctors berichtete. Wie gehen Sie mit diesem Vorwurf um?
Gläser: Ich verstehe die Verbindung meines FAS-Interviews über die Entwicklung der Weight Doctors mit der konkreten Sachfrage des Kreistages überhaupt nicht. Der Kreistag hatte über die Unterstützung der Stadt Wertheim zu entscheiden, die wiederum beabsichtigt, die Notfallversorgung des Bürgerspitals in Wertheim strukturell zu erhalten. Was das mit den Weight Doctors, einem rechtlich eigenständigen Unternehmen der Westfalenklinik-Gruppe, konkret zu tun hat, ist mir ein Rätsel. Die Weight Doctors tragen weder die Notfall- noch die Grund- und Regelversorgung in Wertheim und können deshalb auch nicht Teil der Debatte um die geschlossene Betrauungsvereinbarung sein, in der die Verwendung der öffentlichen Gelder für die Notfallversorgung des Bürgerspitals in Wertheim genau geregelt ist.

Jeder Krankenhausbetreiber wäre froh darüber, wenn darüber hinaus ein verlässlicher Beleger wie die Weight Doctors so effektiv helfen würde, die eigene Infrastruktur auszulasten und die Gefahr eines strukturellen Defizits in ähnlichem Maße mindern könnte. Dass wir diese Möglichkeit überhaupt in unseren Reihen haben, ist der wesentliche Grund für unser Investment in das Bürgerspital gewesen. Sonst hätten wir nämlich auch mit einem jährlichen Defizit von fünf bis sechs Millionen Euro rechnen müssen. Auch für uns wäre das ein viel zu hohes Risiko gewesen.

Natürlich entstehen durch das Bürgerspital Umsatzeffekte in unserer Gruppe. Das Krankenhaus hat unter der Trägerschaft der Rotkreuzschwestern zuletzt knapp 30 Millionen Euro Umsatz gemacht. Damit müssen wir natürlich auch rechnen. Allerdings, jeder Betriebswirtschaftler weiß: Umsatz ist nicht gleich Gewinn, leider. Deshalb haben die Rotkreuzschwestern trotz 30 Millionen Euro Umsatz regelmäßig fünf bis sechs Millionen Euro verloren – und zwar jedes einzelne Geschäftsjahr. Das möchten wir natürlich unbedingt vermeiden und einzig darum geht es im Gesamtkontext.

Ist die Übernahme des Krankenhauses und der Betrieb der Notaufnahme sowie der anderen Abteilungen für Sie der Schlüssel zur Behandlung von Kassenpatienten, mit dem Sie Ihr Geschäft massiv steigern können? Sollte dies der Fall sein, könnte man ja durchaus argumentieren, dass Sie als privater Betreiber öffentliche Gelder nutzen, um Gewinne eines privaten Unternehmens zu steigern?
Gläser: Wenn wir öffentliche Gelder bekämen, um diese Geschäftsfelder, von denen Sie sprechen, zu entwickeln, wäre das so. Aber ich kann Sie beruhigen. Denn leider bekommen wir von der Stadt Wertheim nur einen Teil jener Kosten ersetzt, die wir selbst haben werden, um die Notfallversorgung aufrechtzuerhalten. Das Geld fließt also direkt und eins zu eins dorthin. Und selbst das reicht ja bei Weitem nicht aus, um unseren Aufwand hierfür vollständig zu kompensieren. Es bleibt von den Mitteln der öffentlichen Hand also kein Heller übrig, mit dem wir anderes auch nur in der Theorie gegenfinanzieren könnten.

Wenn wir also künftig von einem Krankenhausstandort in Wertheim reden, der unsere Gruppe stützen könnte, dann nur, weil wir darüber hinaus viel privates Risikokapital aufbringen, um unser übriges medizinisches Angebot auch den Menschen in der Wertheimer Region anzubieten. Wir haben von unserer Seite bereits knapp drei Millionen Euro in das Projekt investiert – ein Betrag, zu dem andere nicht bereit waren.

Sollte der Gemeinderat Anfang April einen genehmigungsfähigen Haushalt beschließen und das Regierungspräsidium die Vereinbarung zwischen Stadt und Bürgerspital durchwinken: Wann würde die Notaufnahme den vollumfänglichen Rund-um-die-Uhr-Betrieb starten können? Bisher ist sie ja nur zeitlich eingeschränkt geöffnet.
Gläser: Darüber sprechen wir, wenn die dafür notwendigen Fakten geschaffen sind. Sobald die zugesagten Mittel fließen, können wir in die konkrete Umsetzungsplanung gehen. Darüber sind sich alle Beteiligte, auch auf Seiten der Stadt, selbstverständlich im Klaren.

Wie sieht es denn in den einzelnen Abteilungen des Bürgerspitals derzeit aus? Ist der Auslastungsgrad zufriedenstellend? Wie viele Betten sind im Schnitt belegt?
Gläser: Wir bewegen uns im Rahmen unserer ersten Erwartungen und sind froh, dass wir wachsenden Zuspruch erhalten. Allerdings ist es noch sehr früh im Prozess und die Entwicklung zart. Uns freut, dass wir mittlerweile auch die Zulassung für das Röntgen haben und damit bereits seit knapp zwei Wochen regelhaft arbeiten. Unser CT läuft ab 1. April im Regelbetrieb. Hier hat die Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium Stuttgart erneut sehr gut geklappt. Das sind vertrauensbildende Meilensteine.

Daneben sehen wir mit großer Erleichterung, dass praktisch alle niedergelassenen Ärzte den Mut haben zuzuweisen und auch der Rettungsdienst eine ganz tolle Arbeit verrichtet, um mit unserer speziellen Situation extrem professionell und engagiert umzugehen. Unsere aktuelle Partnerschaft mit der radiologischen Praxis in der Wertheimer Kernstadt läuft prima, dank des Einsatzes vieler Beteiligter auf beiden Seiten. Wenn wir so weitermachen, werden wir noch vor dem Herbst eine Versorgungssituation haben, mit der alle Beteiligte im letzten Sommer nicht mehr gerechnet hätten. Im positiven Sinne natürlich. Das bleibt unser Antrieb und soll für uns alle Motivation sein, weiterhin kräftig für den Krankenhausstandort in Wertheim zu werben.

Wie sieht es aus mit der Personalausstattung? Suchen Sie derzeit noch Mitarbeitende?
Gläser: Wir suchen vor allen Dingen noch Pflegefachpersonal in den Abteilungen Intensivmedizin und Anästhesie. Ebenso gilt dies für den Zentral-OP und die Endoskopie. Auch nach Assistenzärzten in der Chirurgie und Inneren suchen wir. Wir können sofort einstellen. Jeder ist herzlich willkommen, seine Bewerbung einzureichen. Ab 24. März geht außerdem unsere neue Website buergerspital-wertheim.de live. Dort vorbeizuschauen und einen Überblick über unser derzeitiges Angebot zu erhalten, kann ich nur jedem von Herzen empfehlen.

Quelle: Zeitung – Wertheim – Donnerstag 20. MÄRZ 2025 / Seite 7

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am Presse. Setze ein Lesezeichen auf den permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert