Viele schauen, was wir geschaffen haben

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Markus Herrera Torrez: Wertheimer Oberbürgermeister über den Krankenhaus-Neustart, schmale Finanzen und »Aktivierungsmanagement«

Die Rettung des Wertheimer Krankenhauses und sein Umbau zum Bürgerspital haben das politische Geschehen der Großen Kreisstadt 2024 maßgeblich geprägt. Erstmals seit 2006 hat die Stadt zum Jahresende noch keinen genehmigungsfähigen Haushalt für das Folgejahr – weil noch nicht endgültig feststeht, wie das bis zu 2,75 Millionen Euro große Defizit für die Notfallversorgung geschlossen werden kann. Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez blickt im Gespräch mit unserer Redaktion trotzdem zuversichtlich auf das neue Jahr, in dem es aus seiner Sicht gelingen werde, dass Wertheim wieder eine funktionsfähige Notfallversorgung am Krankenhaus haben werde.


Vor einem Jahr haben wir hier im Rathaus ein Interview geführt, in dem Sie sich etwas mehr Routine anstatt andauerndem Krisenmanagement wünschten. Welche Bilanz ziehen Sie für 2024?
Routine ist nicht eingetreten, aber das Schöne ist, dass wir aus einem Krisenmanagement zu einem Aktivierungsmanagement gekommen sind. Anstatt eine Krisensituation aufzuhalten, sind wir dazu übergegangen, etwas Neues zu schaffen. Das macht immer noch viel Arbeit, ist aber deutlich schöner, denn wir haben ein Ziel vor Augen. Insofern ist der Vorsatz von vor einem Jahr zwar nicht so in Erfüllung gegangen, aber er ist durch einen anderen Auftrag ersetzt worden.


Es mache auch Spaß, sei aber auch herausfordernd, sagten Sie vor einem Jahr zur Arbeit rund um das Krankenhaus. Ist Ihnen ein Jahr später der Spaß an der Arbeit vergangen?
Mit 500 bis 700 Menschen nach Stuttgart zu fahren, um dort vor dem Landtag zu demonstrieren oder vor dem Landratsamt in Tauberbischofsheim – es macht schon auch Freude, mit so vielen Menschen etwas erreichen zu wollen. Die Aufgabe ist anspruchsvoll. Aber Freude ist bei der Arbeit immer noch dabei, wenn auch inzwischen eine angespannte Freude.


Das prägende Thema nicht nur 2023, sondern auch 2024 und wahrscheinlich auch 2025 dürfte für die Wertheimer Bevölkerung das Krankenhaus und die Notfallversorgung sein. Blicken wir ein Jahr in die Zukunft: Läuft das Bürgerspital Wertheim dann im Vollbetrieb, läuft dann die Notfallversorgung?
Ich habe große Zuversicht, dass wir, wenn wir in einem Jahr miteinander sprechen, einen Krankenhausbetrieb haben, der diesen Namen auch verdient. Dass wir eine Versorgung haben, die für die Menschen in Wertheim und der Region im Notfall genau das leistet, was sie brauchen. Da bin ich voller Hoffnung und auch voller Zuversicht, mehr sogar, als wir das noch im Sommer gedacht haben.


Der Marathon ist noch nicht zu Ende, Sie sind noch nicht im Ziel angekommen, dass Wertheim wieder ein funktionierendes Krankenhaus mit Notfallversorgung hat. Was ist aus Ihrer Sicht derzeit das größte Hindernis auf diesem Weg?
Ich finde den Vergleich mit dem Marathon gut, aber genauer betrachtet, haben wir in den letzten sechs Monaten sogar einen ganz schönen Schweinsgalopp hingelegt. Ich habe mir die Abläufe noch einmal aufgeschrieben: Im Juni hat der Insolvenzverwalter gesagt, dass die Rotkreuzklinik Wertheim liquidiert wird. Zwei Tage später haben wir angekündigt, das Gebäude erwerben zu wollen. Im August hat der Gemeinderat den Beschluss dazu gefasst. Im September haben wir die Genehmigung für die Wiederaufnahme des Krankenhausbetriebes erreicht. Ebenfalls im September haben wir den Kaufvertrag notariell beurkundet. Im Oktober hat der Gemeinderat der Ausgleichs- und Betrauungsvereinbarung zugestimmt. Im November haben wir die Mietverträge unterschrieben, Anfang Dezember hat die Küche ihre Arbeit aufgenommen. Und jetzt vor wenigen Tagen haben die ersten Operationen im Krankenhaus stattgefunden.

Ich führe das deswegen noch mal auf, weil viele Menschen aus ganz Deutschland mittlerweile interessiert darauf schauen, was wir hier in Wertheim geschaffen haben. Im Regelfall werden im ländlichen Raum Kliniken geschlossen, die nie wieder öffnen.


Und was fehlt jetzt noch?
Uns fehlt die noch Genehmigung der Ausgleichs- und Betrauungsvereinbarung für die Sicherstellung der Notfallversorgung. Das Regierungspräsidium hat uns noch einmal sehr klar und deutlich gesagt: Es hält die Vereinbarung dem Grunde nach für genehmigungsfähig. Und es ist auch bereit, eine Genehmigung zu erteilen, sofern wir eben nachweisen können, dass wir uns diese 2,75 Millionen Euro Defizitausgleich jährlich auch leisten können.

Wir haben als Stadt Wertheim unseren Teil für den Haushalt 2025 vorbereitend getan: Ausgaben reduziert, Investitionen verschoben, Freiwilligkeitsleistungen gestrichen. Wir müssen jetzt noch die Einnahmenseite über die Grundsteuer, auch über die Gewerbesteuer und die Vergnügungssteuer erhöhen. Wir brauchen aber auch die finanzielle Unterstützung der benachbarten Kommunen und vor allem auch des Landkreises.


Die Stadt Külsheim will sich mit bis zu 30.000 Euro am Defizitausgleich für die Notaufnahme am Bürgerspital beteiligen, und zwar zunächst für die kommenden drei Jahre. Bei der Gemeinderatssitzung in Külsheim wurde erstmals ein Gesamtbetrag von 500.000 Euro genannt, mit dem sich die umliegenden Kommunen an der Notfallversorgung beteiligen sollen. Können Sie diese Summe bestätigen?
Ich bin sehr dankbar, dass der Külsheimer Gemeinderat einen solchen Beschluss gefasst hat. Das gibt uns Rückenwind im Gespräch mit anderen Kommunen. In der Tat sind wir auf unsere benachbarten Kommunen in Baden-Württemberg und Bayern zugegangen und haben in einem Berechnungsmodell dargelegt, wie man anhand von Einwohnerzahlen und früheren Patientenzahlen zu einer Gesamtsumme von 500.000 Euro kommt. In dieser Summe ist der Landkreis nicht mit dabei, da ist aber Wertheim hereingerechnet. Zieht man den Wertheimer Anteil ab, dann landen wir bei etwa 300.000 bis 350.000 Euro, die wir uns von den benachbarten Kommunen erhoffen.


Wie sind die Signale aus anderen Nachbar-Kommunen?
Es gibt Signale für eine Unterstützung. Aber auf bayerischer Seite muss die Rechtsaufsicht den Kommunen grünes Licht für eine Unterstützung der Notfallversorgung geben. Wir haben bei den benachbarten Kommunen bewusst Beträge angesetzt, die leistbar erscheinen. Man muss auch darauf Rücksicht nehmen, dass es gerade auf bayerischer Seite viele kleine Kommunen gibt. Das ist der eine Teil, den wir uns über die benachbarten Kommunen erhoffen. Aber dann gibt es noch den größeren Teil, den der Landkreis Main-Tauber schultern soll. Wir übernehmen mit der Notfallversorgung eine Aufgabe, von dem der Landkreis erheblich profitiert. Man kann auch zu dem Ergebnis kommen, die Notfallversorgung wäre eigentlich eine Aufgabe des Landkreises. Deshalb halte ich es nach wie vor für richtig und angemessen, dass sich der Landkreis mit einem erheblichen Beitrag finanziell beteiligt.


Das wünschen Sie sich schon lange, aber bisher ohne konkrete finanzielle Zusagen. Für Aufsehen hat gesorgt, dass Sie Ende September den Landrat über die sozialen Medien angegriffen haben als jemanden, der versuche, das Bürgerspital hinter den Kulissen zu verhindern. Er solle Teil der Lösung werden und nicht Teil des Problems bleiben, schrieben Sie damals. Hat sich an dieser Einschätzung etwas geändert?
In der Tat ist eine finanzielle Unterstützung durch den Landkreis anspruchsvoll, weil es auch um sehr, sehr viel Geld geht. Und deswegen verstehe ich auch jeden Einzelnen, der mit mir im Kreistag sitzt und der das genau abwägt. Fakt ist aber auch: Der Kreistag hat sowohl bei der Rekommuna­lisierung als auch beim Bürgerspital mit sehr breiten Mehrheiten beschlossen, dass er bereit ist zur Unterstützung. Das ist etwas sehr Positives, weil man auch nicht so tun darf, als ob das eine Selbstverständlichkeit wäre.

Wenn ich zwischendurch deutlich darauf hinweise, dass wir uns mehr Unterstützung erhoffen, dann geht es gar nicht immer nur zwingend um finanzielle Mittel. Sondern es kann ja auch einfach mal darum gehen, Rückendeckung und Rückenwind zu erhalten in der Argumentation zum Beispiel gegenüber übergeordneten Behörden und Ministerien.


Noch einmal die Frage: Hat sich Ihr Eindruck seitdem geändert, dass der Landrat nicht mehr wie ein Verhinderer wirkt?
Ich habe den Eindruck, dass es innerhalb des Kreistages – und so sind auch Rückmeldungen, die wir erhalten – Unterstützung und Sympathie gibt für das, was wir hier leisten. Und dass es auch die Bereitschaft gibt, sich finanziell einzubringen.


Es geht dabei um eine dauerhafte Unterstützung, nicht um einen einmaligen Zuschuss, denn das würde dem Bürgerspital nicht wirklich helfen. Es müsste also eine Position X im Haushalt fixiert werden, die über Jahre auch gezahlt wird?
Fakt ist, dass die Ausgleichs- und Betrauungsvereinbarung, die wir beschlossen haben, für zehn Jahre gilt. Das war auch dem Betreiber des Bürgerspitals wichtig, dass er diese Verlässlichkeit hat. Ja, wir werden im Haushalt den Defizitausgleich über diesen Zeitraum auch abbilden müssen.

Die Hoffnung ist, dass es über ein gutes Arbeiten des Krankenhauses weniger wird. Das Gute ist, dass es auch nicht mehr wird, wenn es nicht so funktioniert wie gedacht, denn das Defizit ist gedeckelt. Andere Kommunen würden es sich wünschen, wenn das bei ihren Krankenhäusern so wäre. Mit Blick auf den Landkreis und benachbarte Kommunen: Es ist viel gewonnen, wenn wir jetzt Zusagen bekommen für die nächsten Jahre. Und ich glaube, wenn die Notfallversorgung erst einmal arbeitet, werden wir alle froh und dankbar darüber sein, dass wir sie wieder haben. Vielleicht müssen wir auch gemeinsam unter Beweis stellen, dass das, was wir hier erarbeitet haben, auch tatsächlich funktioniert. Ich kann auch nachvollziehen, wenn gesagt wird: Wir wollen erst einmal sehen, wie es läuft und dass es uns einen Mehrwert bringt. Den Beweis treten wir gerne an.

Quelle: Zeitung – Wertheim – SAMSTAG/SONNTAG, 28./29. DEZEMBER 2024 17

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