Seit Jahresbeginn laufen die Vorbereitungen für den Neustart des Wertheimer Bürgerspitals auf Hochtouren – wenn auch bislang vor allem im Hintergrund. Am Dienstag soll es nun ernst werden, und das mit einem Angebot, das viele in dieser Form nicht erwartet hätten: Neben den Abteilungen für Chirurgie und Innere Medizin wird auch die Zentrale Notaufnahme eröffnet. Sie soll zunächst werktags von 8 bis 18 Uhr für medizinische Notfälle – insbesondere internistischer Art oder nach Arbeitsunfällen – zur Verfügung stehen. Der Betrieb soll schrittweise ausgebaut werden.
Gerhard Schüder, der Ärztliche Direktor des neuen Bürgerspitals, hat intensive Wochen hinter sich. Der 70-jährige Facharzt für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie ist aus dem Ruhestand zurückgekehrt, um beim Wiederaufbau des Krankenhausangebots in Wertheim zu helfen. Als früherer Ärztlicher Direktor der Rotkreuzklinik hat er nicht nur die nötige Erfahrung, sondern auch wertvolle Kontakte genutzt, um Personal für das neue Haus zu gewinnen. Allein in der ersten Januarwoche wurden sechs neue Ärzte sowie 50 weitere medizinische Fachkräfte eingestellt – insgesamt arbeiten mittlerweile knapp 100 Menschen, darunter 19 Ärzte, im Bürgerspital. „Ich bin begeistert, wie sich das Haus wieder mit Leben füllt“, sagt Schüder, der bis Ende 2016 in Wertheim tätig war und viele frühere Kolleginnen und Kollegen wiedersieht.
Neben den beiden Fachabteilungen startet am Dienstag auch die Zentrale Notaufnahme unter der Leitung von Jörg Henkel. Die personelle Ausstattung sei gut, betont Schüder – auch Anästhesisten sowie Fachkräfte für neurologische Notfälle stehen bereit. Zwar beginnt der Betrieb zunächst mit einem reduzierten Angebot – größere Knochenoperationen sind noch nicht möglich –, doch kleinere Eingriffe wie Nähen, Schienen, einfache Operationen sowie internistische Notfälle wie akute Bauchbeschwerden können bereits behandelt werden. Auch für den Rettungsdienst ist das Haus wieder anfahrbar. „Natürlich geht es nicht um Schwerstverletzte – die sind früher auch nicht nach Wertheim gekommen“, erklärt Schüder.
Ein Herzkatheterlabor wird es nicht mehr geben, wohl aber die Möglichkeit, Schlaganfallpatienten zu behandeln. Zunächst erfolgt dies in Kooperation mit einer Radiologiepraxis in der Bahnhofstraße, wo zwischen 8 und 18 Uhr Röntgen- und CT-Untersuchungen durchgeführt werden. Die eigentliche Behandlung findet dann im Krankenhaus statt. Ab April sollen auch die eigenen Röntgen- und CT-Geräte voll einsatzbereit sein – die Rezertifizierung durch das Regierungspräsidium steht noch aus.
Pflegedienstleiterin Simone Brick wünscht sich zum Start vor allem eines: „Geduld“. Denn ein 24-Stunden-Betrieb der Notaufnahme wird in den kommenden drei bis vier Monaten noch nicht möglich sein – nicht zuletzt wegen der noch ungeklärten Finanzierung. Die Stadt Wertheim hat sich in einer sogenannten Ausgleichs- und Betrauungsvereinbarung verpflichtet, jährlich bis zu 2,75 Millionen Euro an Defiziten auszugleichen. Diese Belastung kann die Stadt jedoch nicht allein schultern. Man hofft auf Unterstützung aus Nachbargemeinden und insbesondere vom Main-Tauber-Kreis. Dessen Beitrag wird voraussichtlich erst im März feststehen. Landrat Christoph Schauder betonte zuletzt, dass noch sichergestellt werden müsse, dass keine öffentlichen Gelder zur Absicherung privater Gewinne verwendet werden – eine Argumentation, die die Stadt Wertheim zurückweist.
Parallel zu den Entwicklungen im Bürgerspital laufen auch bei der Mediclin AG die Vorbereitungen für eine neurologische Früh-Reha mit 88 Betten am Standort Reinhardshof. Dieses Angebot wäre in der Region bislang einmalig. Die Räumlichkeiten werden derzeit angepasst, nicht benötigte Ausstattung entfernt und neue Geräte auf ihre Betriebsbereitschaft hin überprüft. Noch im Januar sollen erste Stationen bezogen werden. Langfristig sind rund 100 Mitarbeitende geplant; aktuell haben bereits 40 Personen einen Vertrag unterschrieben. Die Krankenhausküche ist seit Dezember wieder im Betrieb und versorgt unter anderem die Evangelische Sozialstation – weitere externe Partner sind im Gespräch. Auch die Cafeteria soll ab Dienstag wieder öffentlich zugänglich sein.
Ein erster Schritt in Richtung Regelbetrieb wurde bereits im Dezember gemacht: Seitdem führt das Bürgerspital Adipositas-Operationen durch – insbesondere Magenverkleinerungen. Mit der „Nationalklinik“ der „Weight Doctors“, einem Unternehmen des neuen Betreibers Alexander Gläser, ist eine spezialisierte Abteilung für bariatrische Eingriffe entstanden. Ab 1. Februar soll ein fester Spezialist für diese Behandlungen vor Ort sein, bisher kommen die Ärzte aus anderen Standorten. Diese Behandlungen sollen künftig auch für gesetzlich Versicherte zugänglich sein und durch Synergien zur Stärkung des Gesamtbetriebs beitragen.
Für Gerhard Schüder ist der Neustart auch emotional: „Am 9. Dezember haben wir mit 15 Leuten angefangen – das war ein ganz besonderes Gefühl, wieder Leben in den Gängen zu spüren.“ Die Stimmung im Haus sei heute eine ganz andere als früher unter der Leitung der Rotkreuz-Schwesternschaft. Es gebe ein Miteinander auf Augenhöhe, eine intensive Schulung der Mitarbeitenden in vielen Bereichen – vom OP-Management bis hin zur IT.
Freude über den Neustart herrscht nicht nur bei der Krankenhausleitung, sondern auch beim Aktionsbündnis zur Rettung des Krankenhauses. Dessen Sprecher Tarek Nasser hofft nun auf eine baldige politische Lösung in der Finanzierungsfrage. Auch die Wertheimer Hausärzte stehen hinter dem Projekt: Hausärztesprecherin Christina Gläser spricht von einem „fantastischen“ und „großen Erfolg“. Es sei sogar angedacht, dass niedergelassene Ärzte in der Anfangszeit bei Engpässen aushelfen.
Gerhard Schüder bleibt trotz der Herausforderungen optimistisch: „Ab Mitte oder Ende des Jahres werden wir hier wieder einen normalen Krankenhausbetrieb haben.“
Quelle: WERTHEIMSAMSTAG/SONNTAG/MONTAG, 4./5./6. JANUAR 2025 17 – Zeitung