Die Chance ist sicher einmalig

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Bürgerspital Wertheim: Alexander Gläser äußert sich im FN-Interview erstmals detailliert zu den Planungen für den Neustart des Wertheimer Krankenhauses

Von Gerd Weimer

WERTHEIM. Überraschend bieten sich Wertheim neue Perspektiven bei der medizinischen Versorgung. Alexander Gläser, Chef der federführenden Westfalenklinik-Gruppe informiert im FN-Interview erstmals detailliert die Öffentlichkeit über das Projekt.

Wie ist das Konzept des Bürgerspitals für Wertheim entstanden?
Alexander Gläser: Das Konzept „Bürgerspital Wertheim“ ist von uns, also der Westfalenklinik-Gruppe, zu der auch die „Weight Doctors“ gehören, in Zusammenarbeit mit den Beratern der Stadtverwaltung Wertheim in den vergangenen Wochen ausgearbeitet und den zulassenden Behörden, insbesondere dem Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg und den Kostenträgern vorgestellt worden. Es ist unsere Antwort auf die aktuelle Versorgungssituation in der Region.

Ist aus Ihrer Sicht schon alles unter Dach und Fach?
Gläser: Wir sind mit unserem Konzept auf einem guten Wege, aber leider noch nicht 100 Prozent der Strecke gegangen. So sehr sich die Bürgerinnen und Bürger in Wertheim und darüber hinaus die Wiedereröffnung ihres Krankenhauses wünschen, so sehr und hart arbeiten wir gerade im Hintergrund an der Realisierung.

Was wird benötigt, um endgültig erfolgreich zu sein?
Gläser: Damit es am Ende tatsächlich auch klappt und sich die Hoffnungen der vielen Menschen erfüllen können, rufen wir weiterhin alle Entscheidungs- und Mandatsträger über alle Parteigrenzen hinweg sowie alle Interessensnehmer zu einer weiterhin vertrauensvollen und fruchtbaren Mitarbeit auf. Es wird uns nur gelingen, wenn wir alle an einem Strang ziehen und mit demselben Ziel vor Augen die nächsten Meilensteine erreichen. Der Erfolg ist greifbar nahe und die Chance sicher einmalig, den Krankenhausstandort in Wertheim doch noch zu erhalten.

Was will die Westfalenklinik-Gruppe in Wertheim umsetzen?
Gläser: Wir verbinden im Bürgerspital die Sehnsucht der Bürgerinnen und Bürger nach einem funktionierenden Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung einschließlich leistungsfähiger stationärer Notfallversorgung mit unserer medizinischen Spezialisierung auf dem Feld der Adipositaschirurgie (Operative Behandlung von Patienten mit Übergewicht, Anmerkung der Red.). Dabei möchten wir den bisher geltenden Versorgungsauftrag, der im Landeskrankenhausplan der baden-württembergischen Regierung festgeschrieben ist, fortsetzen und gleichzeitig den Aufbau eines Adipositaszentrums, dem dann einzigen im Main-Tauber-Kreis, vorantreiben.

Was erhoffen Sie sich von dem Standort?
Gläser: Als einer der führenden privatmedizinischen Anbieter für übergewichtige und adipöse Patienten im Land können wir unser hoch spezialisiertes Angebot künftig auch gesetzlich versicherten Patienten auf privatärztlichem Niveau anbieten. Das ist in Deutschland eine Besonderheit.

Sie gehen also davon aus, dass die Kassen für die Behandlung aufkommen, die bisher meist selbst bezahlt werden mussten?
Gläser: Operative Maßnahmen bei krankhaftem Übergewicht oder chronischer Fettleibigkeit (Adipositas) sind bereits durchaus Leistungsbestandteil der gesetzlichen Krankenkassen. Voraussetzung hierfür ist natürlich immer eine sogenannte medizinische Indikation, also die fachärztliche Feststellung einer medizinischen Notwendigkeit. Liegt eine solche vor, können wir künftig im Bürgerspital in Wertheim minimal-invasive Magenverkleinerungen in Form einer Magenbypass-OP oder einer Schlauchmagen-OP anbieten. Wie Sie sich vorstellen können, ist dieser Punkt eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Realisierung unseres Gesamtkonzepts gewesen, besonders im Dialog mit den Kostenträgern, die dieses durchaus mittragen würden.

Das Bürgerspital Wertheim wird dazu künftig gleichzeitig als Nationalklinik der „Weight Doctors“ agieren, in die aus unseren übrigen derzeit 15 weiteren Fachkliniken und -zentren in Deutschland bedürftige Patienten mit entsprechender medizinischer Indikation eingewiesen werden können. Damit können wir die Kapazitäten und Strukturen des Bürgerspitals ideal auslasten. Denn für einen interdisziplinären Versorgungsansatz in der Adipositaschirurgie benötigen wir eine vergleichbare Aufstellung wie jenes eines Grund- und Regelversorgers. Dadurch erwarten wir erhebliche Synergien und ein robustes Betriebsmodell für eine nachhaltige Zukunft des Bürgerspitals.

Gleichzeitig werden alle Patienten in der Notfall-, Grund- und Regelversorgung von unserem Engagement profitieren. Denn durch unsere Spezialisierung werden wir künftig in der Lage sein, die Leistungsqualität des Bürgerspitals Wertheim weiter zu entwickeln: für eine bestmögliche Versorgung aller bedürftigen Patienten aus Wertheim und Umgebung.

Wie stellt sich die Westfalenklinik-Gruppe dafür auf?
Gläser: Wie gesagt, ist für eine Realisierung noch ein bisschen Arbeit vor uns. Unser Konzept wird aber nur im Schulterschluss mit der Stadt Wertheim, der Mediclin AG sowie den niedergelassenen Ärzten aus Wertheim und Kreuzwertheim, dank deren überragender Unterstützung unser neuer Versorgungsansatz überhaupt erst möglich geworden ist, funktionieren. Kern unserer Unternehmung soll eine gemeinnützige Gesellschaft sein, die als neue Trägerin das Bürgerspital betreiben wird. Durch diese Idee ist sichergestellt, dass wir der großen Verantwortung gegenüber allen Menschen gerecht werden, umsichtig mit den verfügbaren Ressourcen umgehen und spätere Erfolge in die Infrastruktur und die Weiterentwicklung des Bürgerspitals reinvestieren können.

Wie bewerten Sie die Rolle der Stadtverwaltung und deren Berater bei der bisherigen Umsetzung des Projekts?
Gläser: Die Stadtverwaltung und wir sind von Anfang an als geschlossenes Team aufgetreten und haben schnell füreinander die wesentlichen Faktoren respektiert, die für eine Machbarkeit so entscheidend gewesen sind. Auch wenn Sie sich vorstellen können, dass bei dieser Größenordnung unsere Gespräche mitunter zäh und schwierig waren, haben wir doch nie den konstruktiven Pfad und das gegenseitige Verständnis aus den Augen verloren. Das war ein sehr guter Nährboden und soll nach unserem Wunsch gerne auch für die sicher noch herausfordernden nächsten Wochen weiter der Maßstab für alle bleiben.

Welche weiteren Faktoren sind dabei wichtig?
Gläser: Schlüssel zum Erfolg wird dabei die bisherige Belegschaft der Rotkreuzklinik Wertheim sein. Wir sind natürlich überaus glücklich, dass wir bereits so viele positive Rückmeldungen von hoch qualifizierten früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhalten haben, die sich eine Rückkehr in das Bürgerspital vorstellen können. Dazu zählen im Übrigen auch einige bekannte und fachlich überaus kompetente Fachärzte aus früheren Zeiten, die am liebsten sofort wieder mit uns gemeinsam loslegen würden. Wir werden also mit unserem Team in den nächsten Wochen auf alle zugehen, die wieder Teil eines dann neuen Kapitels des Krankenhauses in Wertheim werden möchten. Wir werden unser Konzept daneben bereichern durch eine Willkommenskultur gegenüber einweisenden Fachärzten und werden unsere Türen öffnen für Belegoperateure, die ihre stationären Patienten künftig unter besten Bedingungen und hohen Sicherheitsstandards eines ausgewachsenen Krankenhauses behandeln möchten. Gepaart mit unseren erfahrenen Führungskräften, kurzen Entscheidungswegen, einem offenen Führungsstil aus der Mitte heraus und einer tiefen Verwurzelung mit den Menschen der Stadt Wertheim fühlen wir uns gut für die Zukunft gerüstet.

Wie verorten Sie das Konzept des Bürgerspitals vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in der Krankenhauslandschaft?
Gläser: Unserer Auffassung nach ist das Konzept des Bürgerspitals die einzige Möglichkeit, den Krankenhausstandort in Wertheim langfristig zu sichern. Die zu erwartenden neuen rechtlichen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, werden es in der Zukunft kleineren Krankenhäusern noch schwerer machen, wirtschaftlich zu bestehen. Ohne klare Spezialisierung und ohne regionale Leuchtturm-Kompetenz werden Grund- und Regelversorger immer weniger in der Lage sein, ihren Versorgungsauftrag hinreichend zu sichern. Insofern eilen wir mit unserer Initiative den Reformbemühungen der Bundespolitik voraus und versuchen uns durch zusätzliche Fokussierung und Spezialisierung bestmöglich schon heute auf die neuen Vorgaben der Politik einzustellen. Nur dadurch wird es möglich, die Leistungsfähigkeit auch in den Abteilungen der Zentralen Notaufnahme, der Intensivpflege und natürlich in der Inneren Medizin und Chirurgie dauerhaft aufrechtzuerhalten.

Übergewicht ist ein zunehmendes Problem in unserer Konsumgesellschaft.
Gläser: Ja, das Problem von Übergewicht und krankhafter Fettleibigkeit ist ein großes, sogar wachsendes Problem in der Bevölkerung. Eigentlich muss man bereits von einer Pandemie über alle Bevölkerungsgruppen hinweg sprechen. Und das leider nicht nur in Deutschland, sondern praktisch überall auf der Welt. Mit unseren Spezialisten der „Weight Doctors“ sehen wir deshalb einen hohen Bedarf an Behandlungen für Patienten, die es aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln nicht vermögen, ihr Gewichtsproblem endlich in den Griff zu bekommen.

Ist das „Bürgerspital“ für Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn das bisher größte Projekt dieser Art?
Gläser: Ich habe in meiner Karriere viele wichtige und ähnlich herausfordernde Projekte stemmen dürfen. Diese haben mich zu dem geformt, der ich heute bin. Insofern ist ein Vergleich immer sehr schwierig, denn freilich steigt typischerweise auch die Komplexität von Projekten mit zunehmender Berufserfahrung. Auch als Unternehmer hatte ich sicher auch schon abenteuerlichere als dieses hinter mich gebracht. Unseren Markteinstieg mit „Weight Doctors“ in Südafrika, wo wir von Anfang an sehr erfolgreich agieren konnten und mittlerweile in unserem Segment der Maßstab geworden sind, muss hier sicherlich hinzugerechnet werden.

Hand aufs Herz, Herr Gläser: Welche Rolle spielte Ihr Vater, der frühere Oberbürgermeister Wertheims, bei dem Projekt?
Gläser: Auf die Frage habe ich natürlich gewartet. Aber ganz ehrlich: keine wesentliche. Das liegt auch daran, dass ich ihm sehr spät, nachdem die wesentlichen Gespräche mit Stadt, Ministerium und Kostenträgern bereits gelaufen waren, davon berichtete. Er hat mich anfangs für verrückt erklärt, wie mir das übrigens schon häufiger mit ihm passiert ist, wenn ich ihm von einem weiteren unserer Vorhaben erzählte. Heute verbindet er mit unserer Initiative aber großen Stolz, wie das bei einem Vater mit seiner Vorgeschichte eigentlich auch nicht anders zu erwarten gewesen wäre. Aber wissen Sie: Ich bin in unserer Familie der einzige in Wertheim geborene Badische Franke, habe meine gesamte Kindheit und Schulzeit in Wertheim und hier mehr als die Hälfte meines Lebens verbracht. Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass gerade deshalb ganz viel meines eigenen Herzens an dem Gelingen dieser großen Aufgabe hängt.

Quelle: Wertheim – Zeitung – Samstag 17. AUGUST 2024 / Seite 7 

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