Alexander Gläser: Der Geschäftsführer der Westfalenklinik-Gruppe über die Pläne für ein „Bürgerspital“ im Wertheimer Krankenhaus
Von unserer Redakteurin Lena Schwaiger
WERTHEIM. Das Wertheimer Krankenhaus soll als „Bürgerspital“ neu aufgestellt werden – als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung. Ein wichtiger Akteur in diesem Projekt sind die auf die Behandlung von Übergewicht spezialisierten „Weight Doctors“ der Westfalenklinik-Gruppe. Geschäftsführer Alexander Gläser hat einen Bezug zu Wertheim: Der 39-Jährige ist der Sohn des ehemaligen Oberbürgermeisters Stefan Gläser. Er hat sich den Fragen der Redaktion gestellt. Das Interview wurde schriftlich geführt.
Wie bewerten Sie das Konzept eines Bürgerspitals?
Das Konzept „Bürgerspital Wertheim“ ist von uns, das heißt der Westfalenklinik-Gruppe, zu der auch die Weight Doctors gehören, in Zusammenarbeit mit den Beratern der Stadtverwaltung Wertheim in den letzten Wochen ausgearbeitet und den zulassenden Behörden, insbesondere dem Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg, und den Kostenträgern vorgestellt worden und unsere Antwort auf die aktuelle Versorgungssituation in der Region.
Wir sind mit unserem Konzept auf einem guten Wege, aber leider noch nicht hundert Prozent der Strecke gegangen. So sehr sich die Bürgerinnen und Bürger in Wertheim und darüber hinaus die Wiedereröffnung ihres Krankenhauses wünschen, so sehr und hart arbeiten wir gerade im Hintergrund an der Realisierung.
Damit es am Ende tatsächlich auch klappt und wir die Hoffnungen so vieler Menschen erfüllen können, rufen wir weiterhin alle Entscheidungs- und Mandatsträger über alle Parteigrenzen hinweg sowie alle Interessensnehmer zu einer weiterhin vertrauensvollen und fruchtbaren Mitarbeit auf. Es wird uns nur gelingen, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Die Möglichkeit ist greifbar und die Chance sicher einmalig, den Krankenhausstandort in Wertheim doch noch zu erhalten.
Was will die Westfalenklinik-Gruppe in Wertheim umsetzen?
Wir verbinden im Bürgerspital die Sehnsucht der Bürgerinnen und Bürger Wertheims nach einem funktionierenden Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung einschließlich leistungsfähiger stationärer Notfallversorgung mit unserer medizinischen Spezialisierung auf dem Feld der Adipositaschirurgie. Dabei möchten wir den bisher geltenden Versorgungsauftrag, der im Landeskrankenhausplan der baden-württembergischen Regierung festgeschrieben ist, fortsetzen und gleichzeitig den Aufbau eines Adipositaszentrums – dem dann einzigen im Main-Tauber-Kreis – vorantreiben.
Was erhoffen Sie sich von dem Standort?
Das Bürgerspital Wertheim wird dazu künftig gleichzeitig als Nationalklinik der Weight Doctors agieren, in die aus unseren übrigen derzeit 15 weiteren Fachkliniken und -zentren in Deutschland Patienten mit entsprechender medizinischer Indikation eingewiesen werden können.
Damit können wir die Kapazitäten und Strukturen des Bürgerspitals ideal auslasten. Denn für einen interdisziplinären Versorgungsansatz in der Adipositaschirurgie benötigen wir ein vergleichbares Setup wie jenes eines Grund- und Regelversorgers. Gleichzeitig werden alle Patienten in der Notfall-, Grund- und Regelversorgung von unserem Engagement profitieren.
Wie stellt sich die Westfalenklinikgruppe dafür auf?
Wie gesagt, ist für eine Realisierung noch ein bisschen Arbeit vor uns. Unser Konzept wird aber nur im Schulterschluss mit der Stadt Wertheim, der Mediclin AG sowie den niedergelassenen Ärzten aus Wertheim und Kreuzwertheim funktionieren – dank deren überragender Unterstützung unser neuer Versorgungsansatz überhaupt erst möglich geworden ist.
Kern unserer Unternehmung soll eine gemeinnützige Gesellschaft sein, die als neue Trägerin das Bürgerspital betreiben wird. Durch diese Idee ist sichergestellt, dass wir der großen Verantwortung gegenüber allen Menschen gerecht werden, umsichtig mit den verfügbaren Ressourcen umgehen und spätere Erfolge in die Infrastruktur und die Weiterentwicklung des Bürgerspitals reinvestieren können.
Schlüssel zum Erfolg wird dabei die bisherige Belegschaft der Rotkreuzklinik Wertheim sein. Wir haben bereits viele positive Rückmeldungen von hochqualifizierten früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhalten, die sich eine Rückkehr in das Bürgerspital vorstellen können. Dazu zählen im Übrigen auch einige bekannte und überaus kompetente Fachärzte aus früheren Zeiten, die am liebsten sofort wieder mit uns gemeinsam loslegen würden.
Wir werden also mit unserem Team in den nächsten Wochen auf alle zugehen, die wieder Teil eines dann neuen Kapitels des Krankenhauses in Wertheim werden möchten. Wir werden unser Konzept daneben bereichern durch eine Willkommenskultur gegenüber einweisenden Fachärzten und werden unsere Türen öffnen für Belegoperateure, die ihre stationären Patienten künftig unter den hohen Sicherheitsstandards eines ausgewachsenen Krankenhauses behandeln möchten.
Wie bewerten Sie das Konzept eines Bürgerspitals – im größeren Kontext?
Unserer Auffassung nach ist das Konzept des Bürgerspitals die einzige Möglichkeit, den Krankenhausstandort in Wertheim langfristig zu sichern. Die zu erwartenden neuen rechtlichen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit dem Reformgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach werden es in der Zukunft kleineren Krankenhäusern noch schwerer machen, wirtschaftlich zu bestehen.
Ohne klare Spezialisierung und ohne regionale Leuchtturm-Kompetenz werden Grund- und Regelversorger immer weniger in der Lage sein, ihren Versorgungsauftrag hinreichend zu sichern. Insofern eilen wir mit unserer Initiative den Reformbemühungen der Bundespolitik voraus.
Daneben betrachten wir das Problem von Übergewicht und krankhafter Fettleibigkeit als großes, sogar wachsendes Problem in der Bevölkerung. Eigentlich muss man bereits von einer Pandemie über alle Bevölkerungsgruppen hinweg sprechen, nachdem wir mit diesem Wort in den letzten Jahren besonders vertraut gemacht worden sind. Und das leider nicht nur in Deutschland, sondern praktisch überall auf der Welt. Mit unseren Spezialisten der Weight Doctors sehen wir deshalb einen hohen Bedarf an Behandlungen für Patienten, die es aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln nicht vermögen, ihr Gewichtsproblem endlich in den Griff zu bekommen.
Quelle: Wertheim – Zeitung – FREITAG, 16. AUGUST 2024 – BLICKPUNKT 17