Was bringt das »Bürgerspital Wertheim«?

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Medizinische Versorgung: Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Klinikkauf der Stadt Wertheim und der Notfallversorgung
Von unserem Redakteur Matthias Schätte

WERTHEIM-REINHARDSHOF. Die Stadt möchte Gebäude und Inventar der ehemaligen Rotkreuzklinik kaufen, der Gemeinderat hat am Montag einstimmig sein Okay für den Kauf gegeben und dem geplanten medizinischen Konzept zugestimmt. Doch was ist geplant, wer ist beteiligt – und wann könnte das Krankenhaus wieder öffnen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Warum kauft die Stadt Wertheim das ehemalige Krankenhaus?
Die Rotkreuzklinik ist im September 2023 in finanzielle Schwierigkeiten geraten, das Insolvenzverfahren ist im Juni endgültig gescheitert. Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez hatte nur zwei Tage später angekündigt, dass die Stadt Grundstück und Gebäude kaufen wolle, um selbst die Kontrolle über eine künftige Nutzung zu behalten. Zuvor hatte die Stadt über Monate vergeblich versucht, eine Notfallversorgung zu erhalten. Auch eine Rekommunalisierung und damit ein Betrieb des Krankenhauses durch die Stadt war gescheitert. Seit der Klinik-Pleite hatten Hunderte Bürger mehrfach für den Klinikerhalt demonstriert – vergeblich.

Was bedeutet der Kauf des Krankenhaus-Gebäudes samt Inventar?
Vorerst soll die Stadtentwicklungsgesellschaft das Gebäude kaufen, die Stadt kann dann das Gebäude an Partner vermieten, die dort medizinische Dienstleistungen anbieten. Über die Mieten soll der Kauf refinanziert werden. Es habe etliche Interessenten gegeben, die mit Konzepten auf die Stadt zugekommen seien, sagt Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez. Doch den Betrieb eines Krankenhauses der Grund- und Regelversorgung habe kaum ein Interessent ins Auge gefasst.

Wie sieht das medizinische Konzept aus?
Die Westfalenklinik-Gruppe will ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung mit etwa 70 Betten für Chirurgie und Innere Medizin betreiben, diese Abteilungen sind auch Grundlage für eine Notfallversorgung. „Die Notaufnahme wird Fähigkeiten ähnlich wie zu früheren Zeiten haben“, sagt Herrera Torrez. Eine Stroke Unit soll ebenfalls Bestandteil sein. Außerdem will die Klinikgruppe ein Zentrum für bariatrische Chirurgie – also die stationäre Behandlung von Adipositas-Patienten – im Umfang von etwa 25 Betten einrichten. Kooperationsmöglichkeiten mit niedergelassenen Ärzten sollen dabei bestmöglich genutzt werden. Die skizzierte Struktur soll als „Bürgerspital Wertheim“ in einer eigenen gemeinnützigen GmbH betrieben werden.

Darüber hinaus soll es eine neurologische Reha-Abteilung der Mediclin AG geben, die 88 Betten und Therapieflächen belegen soll. Erhalten bleibt das bereits etablierte Dialysezentrum. Mit diesen Partnern seien die Flächen so gut ausgelastet wie noch nie in der bisherigen Geschichte des 2016 fertiggestellten Krankenhausneubaus, so Herrera Torrez. Die Partner sollen von gegenseitigen Synergien profitieren – insbesondere vom Vorhandensein einer Notfallversorgung.

Welche Synergien gibt es im nichtmedizinischen Bereich?
Mediclin soll Küche und Cafeteria der Klinik betreiben. Die Küche hatte in den vergangenen Jahren beispielsweise auch Sozialstationen und Pflegedienste beliefert. Auch eine Belieferung von Schulen und Kitas mit Essen sei denkbar, so Herrera Torrez.

Warum soll Geld von der öffentlichen Hand kommen?
Der Betrieb einer Notaufnahme ist immer defizitär, weil dafür viel Fachpersonal rund um die Uhr bereitgehalten werden muss. Die Westfalenklinik-Gruppe kann mit den Adipositas-Behandlungen Geld verdienen, nicht aber mit der Versorgung der Notfälle. Sie macht daher einen Unterstützungsbedarf von jährlich 2,75 Millionen Euro für die Notaufnahme geltend. Realistisch, sagt der Oberbürgermeister, der allerdings mit seinen Gemeinderäten darin gewaltige Herausforderungen für den städtischen Haushalt sieht. Daher müssten Teile der Summe zwingend vom Landkreis und von Nachbarkommunen kommen.

Was sagt der Landkreis zu den Plänen?
Schon vor Wochen hat der Landkreis erklärt, dass das Bemühen der Stadt um einen Erwerb des Klinikgebäudes nachvollziehbar sei. „Damit erhält die Stadt die Gewissheit, dass es zu keiner Nachnutzung kommt, welche ihren Interessen zuwiderläuft“, so Landkreis-Sprecher Markus Moll. Sollte es eine stationäre Krankenhausversorgung als Nachnutzung durch einen neuen Betreiber geben, würde der Landkreis dies „sehr begrüßen“. „Derzeit liegt der Landkreisverwaltung keine Bitte eines potenziellen Nutzers vor, einen Krankenhausbetrieb finanziell zu unterstützen“, antwortet Moll auf die Frage nach einer möglichen Beteiligung an den Kosten einer Notfallversorgung. „Wenn eine entsprechende Bitte an uns herangetragen wird, werden wir dies in den hierfür vorgesehenen Formaten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten lösungsorientiert prüfen und beraten.“

Wie hoch ist der Kaufpreis?
Über die Konditionen des Kaufs wurde Stillschweigen vereinbart.

Was sagen für die Genehmigung zuständige Behörden?
Laut Stadtverwaltung sei das Konzept beim Sozial- und Gesundheitsministerium und auch bei den Krankenkassen als Kostenträger auf Zustimmung gestoßen. Eine solche Zustimmung ist Voraussetzung, damit die Klinik wieder in den Landeskrankenhausplan aufgenommen werden kann.

Welche Risiken liegen in der Zusatzversorgung der Mitarbeiter?
Die Zusatzversorgung der Mitarbeiter aus einstmals städtischen Zeiten ist vertraglich Aufgabe der Rotkreuzklinik Wertheim gGmbH. Die Stadt ist allerdings in einer Gewährträgerhaftung, falls die gGmbH die Beträge nicht mehr zahlen kann. Die Stadt ist der Meinung, dass dann die Münchener Schwesternschaft als Muttergesellschaft zahlen muss. Bislang sind sich Anwälte dazu nicht einig geworden. „Es läuft auf einen veritablen Rechtsstreit hinaus“, so Herrera Torrez. In Rede steht ein Betrag von etwa 35 Millionen Euro, allerdings zahlbar über 20 Jahre. Die Stadt bildet vorsichtshalber Rückstellungen.

Ist der Insolvenzverwalter überhaupt zum Verkauf an die Stadt bereit?
„Die Eigenverwaltung hält die Erfolgschancen eines Kaufabschlusses für das Gebäude samt Gelände und Inventar der Rotkreuzklinik Wertheim an die Stadt Wertheim für sehr hoch“, lässt der Generalhandlungsbevollmächtigte Mark Boddenberg über eine Sprecherin ausrichten. „Den Parteien liegt bereits ein Vertragsentwurf mit angemessenem Kaufpreis vor, die Inhalte sind bereits dem Grunde nach mit allen Beteiligten abgestimmt und können zeitnah in eine finale Beschlusslage fließen. Die Eigenverwaltung ist entschlossen, an die Stadt Wertheim zu verkaufen. Die Verhandlungen werden voraussichtlich im laufenden Monat August abgeschlossen sein.“

Wie sieht der Zeitplan aus?
Die Westfalenklinik-Gruppe und Mediclin wollen möglichst noch im vierten Quartal an den Start gehen. Voraussetzung ist die Unterzeichnung der nötigen Verträge.

Woran kann das Vorhaben noch scheitern?
An einer fehlenden Finanzierung der Notfallversorgung, vor allem aber an fehlenden Mitarbeitern. Schon seit Wochen laufen Versuche, ehemalige Beschäftigte der Rotkreuzklinik eine Rückkehr schmackhaft zu machen. Dem Vernehmen nach haben mehrere Dutzend Interesse geäußert. Initiativbewerbungen sind genauso willkommen.

Quelle: Wertheim – FREITAG, 16. AUGUST 2024 15

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